Warum unsere Gemeinde ein Präventionskonzept erstellt
Seit etwa einem halben Jahr beschäftigen wir uns in Jubilate mit dem Thema „Prävention sexualisierter Gewalt“. Wir – das sind Pfarrer Sebastian Degkwitz, Vikar Yannick Schlote, Susanne Neidhold und ich, Eberhard Patzak. Ein kleines Team, das sich regelmäßig trifft, um das Thema in Jubilate voranzubringen. Es ist nicht gerade mein Traumthema, aber mir ist klar, dass die Folgen von Gewalt für die Betroffenen gravierend sind und diese ihr Leben lang verfolgen. Und deshalb finde ich das Thema sehr wichtig und bin daher gerne mit dabei.
Warum machen wir das?
Für unsere Landeskirche hat die zuständige Synode ein Gesetz zur Prävention sexualisierter Gewalt verabschiedet. Es geht dabei sowohl um die Aufarbeitung und Entschädigung vergangener Taten als auch um die Verhinderung neuer. Das Gesetz verpflichtet alle Gemeinden und sonstige Einrichtungen der evangelisch-lutherischen Kirche in Bayern, sich mit dem Thema zu beschäftigen und ein Schutzkonzept für die jeweilige Einheit zu erstellen.
Ein gesellschaftliches Problem.
In Jubilate ist uns kein Fall von sexualisierter Gewalt bekannt, aber in der Landeskirche gab es eben schon einige Fälle. Das wurde zunächst mehr als Problem der katholischen Kirche gesehen, eventuell in Zusammenhang mit dem Zölibat. Das ist aber nicht richtig. Es ist ein gesamtgesellschaftliches Problem. Also auch Sportvereine, unterschiedlichste Jugendgruppen und andere Organisationen sind davon betroffen, dazu treten viele Fälle in der Familie und im Bekanntenkreis auf. Also gibt es dies genauso in der evangelischen Kirche. Aber die Leute, die ihre Kinder zu uns schicken oder selbst zu uns kommen, können mit Recht erwarten, dass sie bei uns eine sichere und offene Atmosphäre vorfinden. Daher sind wir verpflichtet alles zu tun, um Gewalt in unseren Räumen zu verhindern.
Erste Schritte.
Die Landeskirche hat einige Vorarbeit geleistet, auf die die einzelnen Gemeinden jetzt aufbauen können. Aber nur die jeweiligen Gemeinden kennen ihre Gruppen und können deren Gefährdungspotenzial einschätzen; und nur sie können das erforderliche Wissen in diese Gruppen tragen.
Die Vorleistungen der Landeskirche sind einmal Schulungen zu dem Thema, darunter die Basisschulung, die bereits eine ganze Reihe von Verantwortlichen aus unserer Gemeinde besucht haben.
Dann der Basisentwurf für ein Schutzkonzept. Auf diesem setzen wir auf und passen ihn an unsere Belange an. Das ist bei uns noch in Arbeit. Ansonsten stehen in der Landeskirche ausgebildete Ansprechpartner zur Verfügung, an die sich Betroffene wenden können, die aber auch uns bei Bedarf beraten.
Bei dem Schutzkonzept geht es uns um die Vermeidung von Gewalt in jeder Form, denn alle Gewalterfahrungen hinterlassen erhebliche Spuren, so z.B. auch Anschreien, aber auch Kriegserlebnisse. Daher streben wir in unseren Gruppen eine Kultur der Achtsamkeit an, das ist insbesondere ein respektvoller Umgang miteinander. Aber auch bestimmte Verhaltensweisen in den Gruppen.
Wie Täter:innen vorgehen – ein Beispiel.
In den Schulungen haben wir auch etwas zum Vorgehen von Täter*innen erfahren. Anhand eines Beispiels wurde uns vorgestellt, wie gezielt ein Täter vorging. Zunächst wählte er ein geeignet erscheinendes Opfer aus, eine jugendliche Mitarbeiterin. Das war eine Person, die er als schwach und anlehnungsbedürftig einschätzte. Über einen längeren Zeitraum näherte er sich ihr schrittweise an. Das war anfangs für die betroffene Person eine positive Erfahrung. Sie bekam die Anerkennung und Zuneigung, die sie sich wünschte. Dann aber kippte das Verhältnis. Aus der Anerkennung und Zuneigung baute der Täter gezielt eine Abhängigkeit auf und nutzte die Betroffene aus.
Es war mir neu, dass Täter*innen derart gezielt und mit einer langfristigen Strategie vorgehen. Wenn in der Gruppe, in der das passiert, eine Sensibilisierung für dieses Vorgehen erfolgt ist, besteht meines Erachtens eine gute Chance, dies rechtzeitig zu erkennen und zu verhindern. Das ist die Aufgabe und das Ziel der Präventionsarbeit in unserer Gemeinde.
Eberhard Patzak